Mittwoch, 6. Mai 2015
¶ regen
Dieses Land ist echt verrückt. Jetzt war es 4 Monate so trocken, dass wir die letzten drei Wochen nur noch für drei Stunden am Tag Wasser im Haus hatten, weil der Wassertank von El Torito leer geworden ist, und von einem auf den anderen Tag regnet es nachmittags so heftig, dass sich alle Flussbetten füllen und wir aufpassen müssen, dass unser Haus nicht überflutet wird.
Genauso unglaublich ist es, dass man innerhalb nur zwei Stunden mit dem Auto in eine komplett andere Klimazone kommt! Auf jeden Fall ist der Regen echt eine Bereicherung! Alles wird grün und es kühlt ein wenig ab.
Die letzte Zeit brauchte ich ein wenig Abstand von zu Hause, weil mich meine Gastgeschwister extrem nerven. Also haben wir beispielsweise einen Koch- und Spieleabend bei Bianca - einer anderen Freiwilligen - gemacht und es uns so richtig gut gehen lassen. Letzten Sonntag habe ich wieder fleißig bei der Organisation des Fußballturniers mitgeholfen und habe mit Manuel, einem sehr humorvollen Tico, die Getränkebar geschmissen. Ansonsten hat mich die Kreativität gepackt und ich habe einige der Holzschnitzereien, die Lidieth irgendwo gefunden hat, angemalt, die jetzt teilweise in meinem Zimmer, aber auch im Wohnzimmer aufgestellt wurden.
Das letzte Wochenende hat und Beto mal wieder besucht. Ich schätze ihn wahnsinnig, weil ich mit ihm echt über wahnsinnig interessante Themen reden und abgefahrene Aktionen machen kann. Das ist einer der Sachen, die ich sehr vermisse. Ich liebe es, mich mit interessanten Personen mit anderen Weltansichten zu unterhalten, das hier ziemlich schwierig ist. Zum Teil liegt es an der geistigen Begrenztheit der Ticos, zum anderen aber auch, weil mein Spanisch noch nicht so weit reicht, dass ich jeden einzelnen Gedanken problemlos ausdrücken kann. Es klingt vielleicht ein bisschen von "oben herab gesprochen", aber die meisten Einheimischen leben einfach in ihrem Trott, sie werden schulisch nicht wirklich gefördert und haben keinerlei Interesse, über den Rand hinaus zu denken. Beto ist da anders, deswegen ist es immer wieder erfrischend, wenn er ins Haus kommt.

Loca gente cocinando....






Montag, 20. April 2015
Es kommt mir so vor, als ob hier die Zeit doppelt so schnell vergeht als normalerweise. Bald bin ich schon 4 Monate hier und wünschte, ich hätte noch die gleiche Zeit vor mir.
Gestern haben mich zwei ganz liebe Kinder eingeladen, mit ihnen an den Strand zu gehen. Herson und Xiany sind Geschwister und das komplette Gegenteil von Paola und Samuel. Sie können sich stundenlang selbst beschäftigen und quengeln nie rum. Xiany ist sechs Jahre alt und kommt nächstes Jahr in die Schule. Herson ist drei Jahre jünger und kam eines Tages mit seinen Miniflossen dahermarschiert und hat gefragt, wann wir denn endlich mal Tauchen gehen. Ich war den letzten Monat fast gar nicht am Strand, deswegen war es echt ein schöner Ausgleich.
Ein Moment am Strand hat mich sehr an meine Situation in Costa Rica erinnert. Ich sah die Kinder ins Meer laufen. Ihre kleinen Füßchen hinterließen Abdrücke im Sand bis eine große Welle kam und die Spuren wegspülte. So ist es ja auch mit mir. Ich kann hier leider nicht ewig bleiben. Nichts desto trotz hoffe ich, dass ein paar Spuren, die ich hinterlasse, auch bleiben und sich meine Gastfamilie immer an mich erinnern wird.
Ich habe mich gerade für einen Moment in mein Zimmer zurückgezogen, weil mich Samuel und Paola die letzten zwei Wochen in den Wahnsinn getrieben haben. Ich habe eigentlich noch nie wirklich über die richtige Familienkonstellation erzählt, oder? Paola ist nämlich adoptiert. Ihre leibliche Mutter ist Grey, die mit 17 das erste Mal schwanger wurde. Da Lidieth eigentlich keine Kinder bekommen konnte und sie Grey unterstützen wollte, hat sie Paola adoptiert. Nach einem Jahr hat sich ihr Gebärmutterkrebs verändert und sie ist glücklicherweise doch noch mit Samuel schwanger geworden, was für sie und Francisco ein wahnsinnig großes Geschenk ist.
Nach 3 Jahren hat Grey dann noch Jimena und schließlich Calep zur Welt gebracht. Das sind die Nachbarskinder, die jeden Tag zum frühstücken zu uns kommen und meiner Meinung nach erklärt das sehr vieles an Paolas auffälligem Verhalten. Zwei Mütter zu haben ist denke ich ziemlich verwirrend. In ihrem Kopf schwirren bestimmt viele Fragen, wieso Grey sie weggegeben hat, aber trotzdem noch zwei Kinder bei sich hat. Paola will alles und jeden kontrollieren, nervt ständig, sodass selbst meine Geduld nicht mehr ausreicht und macht ständig irgendwelche Aufstände, sodass die komplette Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist, was für Samuel widerum richtig schwierig ist. Ich kann verstehen, dass er langsam keine Geduld und kein Verständnis mehr für Paola hat. Langsam fängt auch er nicht mehr nach positiver, sondern nach negativer Aufmerksamkeit zu suchen.
Das heißt aber auf keinen Fall, dass es mir in der Familie nicht gut geht! Francisco ist wahnsinnig humorvoll und macht ständig Witze mit mir. Lidieth und ich sitzen in letzter Zeit öfters nach dem Frühstück zusammen und quatschen über Gott und die Welt. Beide wollen echt nur das Beste für mich, sodass ich sie schon als zweite Eltern sehe.

Xiany



Herson




Letztes Wochenende wurde in Costa Rica der Sieg gegen Nicaragua im Krieg Santa Rosa gefeiert. Zu diesem Anlass machten wir uns um 2 Uhr in der Früh auf nach Alajuela - der Nachbarort von San José - , um tatkräftig die Percussiongruppe unseres kleinen Dörfchens zu unterstützen. Da die Trommel und die Lira - eine Art Xylophon - die zwei Nationalinstrumente des Landes sind, tummelten sich ca. 40 Percussiongruppen des gesamten Landes in der Stadt. Nach ungefähr 3 Stunden warten - wie es hier üblich ist - rafften es endlich alle, in welcher Reihenfolge sich die Gruppen für den Zug durch die Stadt aufstellen sollten und dann ging es endlich los. Nicht nur an das ewige Gewarte kann ich mich immer noch nicht gewöhnen, sondern auch an den ständigen Lärm, der für die Ticos anscheinend überhaupt nicht störend ist. 40 Trommelgruppen spielten ungefähr gleichzeitig direkt vor meiner Nase! Trotzdem beeindruckte es mich, dass jede Gruppe ihre eigene Choriographie mit eigen designten Uniformen vorstellte. Jede Gruppe ist im Prinzip gleich gegliedert. Am Anfang laufen ein paar Tänzerinnen, die im Takt der Trommeln mit ihren Hintern wackeln. Danach folgen die Mädchen, die die Lira spielen und zum Schluss kommen die Trommler. Je nachdem, wie viele Mitglieder die Gruppe hat und wie geübt sie sind, reihen sich auch noch Blechbläser auf.
Das Warten hatte aber auch seinen Vorteil. Nina - die Gastmutti von Maura - hatte Zeit, uns ein bisschen durch die Stadt zu führen und wir hörten der Rede des Präsidenten von Costa Rica zu, was natürlich recht interessant war.
Trotzdem war ich echt froh, als der Trubel endlich zu Ende war und wir Abendessen konnten. Wir wurden in das Haus von Brayans Onkel eingeladen, der ein wahnsinnig guter Koch ist! Zusammen mit seinem Partner wohnt er in einem echt abgespacten Haus. Das muss ich euch erzählen! Sowas habe ich noch nie gesehen! Die hatten im Eingangsbereich 14 Aquarien mit Süß- und Salzwasserfischen und einen Teich mit 60 Kois. Im Flur haben sie eine kleine Hütte für ihre 9 Hunde aufgestellt, die zwischen drei Vogelkäfigen wohnen. Außerdem hatten sie noch eine Katze und drei Schildkröten. Der reinste Tierwarenhandel! Ein bisschen verrückt sind die zwei schon, aber wahnsinnig nett. Sie halfen mir, das Päckchen abzuholen, das meine Mama mithilfe einer Bekannten nach Costa Rica geschickt hat. Außerdem zeigten sie uns noch eine Mall, wo wir uns ein paar Stunden aufgehalten haben.
Das Päckchen von Mama hat mich wahnsinnig gefreut! Sie hat mir ein paar Sachen zusammengepackt, die ich unbedingt gebraucht habe. Nach 3 Monaten freut man sich einfach, wenn man einen kleinen Gruß aus der Heimat bekommt. - Danke, Mama!
Nach diesem anstrengenden und ereignisreichen Wochenende habe ich mich erstmal ordentlich erkältet. In San José ist es immer deutlich kälter als im Rest des Landes. Außerdem bin ich schon so an die Hitze gewöhnt, dass ich bereits bei 25 Grad meinen Pulli raushole...

Der Präsident spricht...



Zwei "Chiquitillos" im traditionellem Outfit



Die Tänzerinnen





Dixon und Rudy



Die "Banda" von El Torito




Montag, 6. April 2015
Uns wurde erzählt, dass die Woche vor Ostern in Costa Rica wahnsinnig groß mit Stierkämpfen und großen Partys gefeiert wird, was zu unserer Enttäuschung eigentlich gar nicht so war. Die letzte Woche war bezüglich Ostern ziemlich ruhig. Ich verbrachte viel Zeit mit Brayan und seiner Familie. Bei seinen Großeltern lernte ich, wie man ein typisches Gericht für Ostern zubereitet. In Bananenblätter eingewickelte Maisteigtaschen gefüllt mit Bohnenbrei und Essigerbsen wurden in heißem Wasser gekocht und schließlich zu Caffee serviert. Zu meiner Überraschung hat es echt gut geschmeckt! Außerdem lernte ich seinen Onkel kennen, der mir nächste Woche hilft, mein Päckchen von Mutti in San José abzuholen, worauf ich mich schon wahnsinnig freue! Der eigentliche Anlass, nach San José zu fahren ist ein Auftritt der Percussiongruppe von Torito und ein Fußballspiel La Liga gegen Saprissa - die zwei besten und bekanntesten Teams von Costa Rica, das wir in der Arena von Alajuela in der Nähe von San José anschauen werden.
Ein kleines Highlight gab es dann doch während der Semana Santa. Mein älterer Gastbruder kam zu Besuch auf den sich vor allem Samuel und Paola freuten. Ich verstehe mich mit Beto wahnsinnig gut. Wir können uns über wahnsinnig vieles unterhalten und haben eigentlich die ganze Zeit gelacht. Mit ihm und seinen Freunden war ich das Spiel Costa Rica gegen Panama in einer Bar ansehen, was echt so witzig war, weil Beto die ganze Zeit irgendwelche Witze reißt, wo alle unterm Tisch liegen. Dann nahm er mich noch zum Sushiessen mit! Leeeecker! Das Restaurant liegt direkt am Strand und wenn man aufs Essen warten musste, konnte man sich auf einen Hochstuhl setzen und in den Sternenhimmel sehen.
Ansonsten gab es letzte Woche drei Geburtstage. Einmal von Luna, danach von meinem lieben Calep und gestern von Paola. Mir gefällt die Art und Weise, wie man hier Geburtstag feiert. Meistens werden alle Freunde nach Hause eingeladen und Arroz con Pollo (Reis mit Hühnchen) gegessen. Danach gibt es Torte für alle. Eine Tradition ist es, dass das Geburtstagskind erst ein Stückchen von der Torte abbeißt, worauf die anderen Kinder natürlich auf den Hinterkopf anstupsen, sodass das Geburtstagskind ein Tortengesicht hat. Ihr hättet Calep sehen sollen! Sein kleines Gesicht voller Sahne. Oh wie die Stimmung bebte! Danach darf das Geburtstagskind nach einer Pinata schlagen. Das ist meistens ein hohles Pappmascheetier gefüllt mit Süßigkeiten, das irgendwo aufgehängt wird. Das Geburtstagskind versucht es mit verbundenen Augen und einem Stock aufzuschlagen. Sobald die Süßigkeiten rausfallen stürzen sich alle Kinder darauf, um Möglichst viele Lollis und Bonbons abzubekommen.
Gestern habe ich mit Samuel viel für den Geburtstag von Paola vorbereitet, da Lidieth eine ziemlich ernsthafte Infektion hat und fast nicht mehr laufen kann. Sie war schon im Krankenhaus und wird vielleicht am Montag operiert, weil Antibiotika leider nicht hilft. Wenn man hier in Torito krank ist, ist es viel umständlicher, weil man erstmal nach Nicoya eine Stunde ins Krankenhaus fahren muss und die ärztliche Versorgung ziemlich unterentwickelt ist. Ich hoffe einfach, dass sie bald wieder gesund wird!
Ansonsten wünsche ich euch ein frohes Osterfest und hoffe, dass ihr den Tag mit euren Familien gemütlich feiern könnt! Ich denke ganz fest an euch!













































Die folgenden Tage in Granada waren sehr entspannend. Wir wohnten in einem sehr schönen Hostel im Zentrum der Hauptstadt. Uns wurde Internet, Pancakes zum Frühstück, zahlreiche Hängematten, Wasser, Tee und Kaffee zu jeder Uhrzeit, ein Pool und eine große Gemeinschaftsküche zur Verfügung gestellt, was wir natürlich gnadenlos ausnutzten und mal eine angenehme Abwechslung war.
Granada gefällt mir sehr. Geprägt vom Kolonialstil ragen zwischen bunten Wellblechhäusern große Kirchen, Statuen und andere Monumente empor. Francisco erklärte mir, dass man in die Vergangenheit reist, wenn man nach Costa Rica fliegt, weil die Leute mit einfacheren Mitteln wohnen, was eine schönere Beschreibung ist als zu sagen man reist in die Armut. Er sagte, wenn man nach Nicaragua reist, befindet man sich noch ein Stück mehr in der Vergangenheit, weil die Menschen dort noch einfacher wohnen, was zum Teil auch stimmte. Meiner Meinung nach wird die Brücke zwischen Arm und Reich durch die Spuren der damaligen Eroberer Zentralamerikas ziemlich unterstrichen.
Maura und ich erlangten einen ersten Eindruck der Stadt durch einen Sparziergang durch verschiedene Straßenmärkte quasi direkt vor unserem Hostel. Eine Stadtführung in einer Pferdekutsche ludt uns ein, die Geschichte Granadas ein bisschen näher kennenzulernen. Am nächsten Tag bereiteten wir uns für eine Wanderung auf den noch aktiven Vulkan Masaya vor. Zum Glück mussten wir nicht allzu lange in der prallen Hitze den Weg hochlaufen, da uns ein großzügiger Brasilianer dank seines Chaffeurs bis nach oben mitgenommen hat. Dort angekommen standen wir erstmal vor einem riesengroßen Krater bedeckt von einer gigantischen Schefelwolke. Als wir auf den nebenstehenden Berg hochkrackselten, konnten wir jedoch mehr sehen. Rechts neben uns war der Vulkan und links ersteckte sich die Landschaft von Nicaragua bis zum Masayasee, der auch das Meer von Zentralamerika genannt wird, da er einfach gigantisch ist. Durch die Landschaft ertreckte sich ein dunkler Aschepfad, der durch den letzten Vulkanausbruch entstand.
Nach diesem beeindruckenden Ausflug in die Natur erhofften wir uns ein paar Mitbringsel auf einen historischen Markt in Masaya, jedoch hielten wir es dort nicht allzu lange aus, da uns alle Verkäufer anquatschten und uns unbeschreibliche Gerüche quälten, die sich im gesamten Markt ausbreiteten...
Am letzten Tag in Managua entspannten wir uns im Pool und vegetierten durch die unerträgliche Hitze so vor uns hin.
Die gesamten neun Tage hatten Maura und ich ziemliches Heimweh. Ich muss euch aber enttäuschen - es war kein Heimweh nach Deutschland, sondern ein Heimweh nach Torito, da uns unsere Familien wahnsinnig fehlten. Wer hätte das vor drei Monaten gedacht!?